Bastard! Bastard! Bastard! Ich atme tief ein, dann langsam wieder aus. Verfluche ich meinen letzten Gegner, mich selbst oder das Spiel? Jungle Clash verdient meinen Zorn, in gewisser Weise steht der Titel für alles, was ich als Videospiele-Fan und Tryharder verachte. Verdammt, es ist nur ein lächerliches Smartphone-Game! Manisch und wie ferngesteuert starte ich die nächste PvP-Schlacht...
Trading Card meets Tower Defense meets Moba meets RTS
Jungle Clash ist genau genommen gar kein klassisches Trading Card Game. Im Gegensatz zu klassischen Vertretern wird digital statt analog gespielt. Zudem vereint es Elemente unterschiedlicher Genres und besitzt DNA von Tower-Defense-, MOBA-, RTS- und eben besagten Kartenspielen.
Es ist ein Genrebastard, dem es gelingt, aus einer Vielzahl unterschiedlicher Genreversatzstücke ein hohes Maß spielerischer Eingängigkeit zu destillieren. Was wie die Quadratur des Kreises klingt, ist weit mehr als die Summe der einzelnen Teile und so entwickelt Jungle Clash innerhalb des Genres ein originelles Alleinstellungsmerkmal. Wäre da nicht eine winzige Kleinigkeit...
Ctrl+C and Ctrl+V
Wer über die Qualität von Jungle Clash (link is external) sprechen will, stolpert fast zwangsläufig über Clash Royale (link is external), denn genau genau genommen handelt es sich um eine 1:1-Kopie des Megasellers. Der russischen Spielschmiede my.com (link is external) mangelnde Originalität vorzuwerfen ist grob untertrieben - bis in kleinste Detail kopieren sie etablierte und beliebte Spielkonzepte im Allgemeinen und die innovativen Konzepte der Entwickler Supercell (link is external)im Speziellen. Nachdem das finnische Studio 2012 mit dem Millionenseller (link is external) Clash of Clans (link is external)den mobilen RTS-Markt revolutionierte, folgt my.com ein Jahr später mit Jungle Heat (link is external), das das comichafte Fantasysetting des Vorbildes lediglich gegen einen nicht weniger comichafteren Dschungel tauscht. 2016 legten die Finnen dann mit Clash Royale nach und nur wenige Monate später erschien neben zahlreicher anderer Klone (link is external) (sogar ein Rip-Off im Starcraft-Stil existiert (link is external) bereits) mit Jungle Clash (link is external) abermals eine nahezu baugleiche, aber auch sehr hochwertige Kopie. Warum das Plagiat unterstützen, statt das Original zu würdigen? Fantasysettings sind für mich ausbuchstabiert und nach Jungle Heat bin ich aufgrund des vertrauten Grafiksets auch beim Plagiat geblieben. Und das ärgert mich maßlos: Mein inneres Gewohnheitstier zieht die Strippen - my.com durchschaubare Geschäftspolitik ist ein weiteres Mal aufgegangen. Auch deshalb ist Jungle Heat ein dreckiger Bastard.
Spielprinzip
Wie bei den meisten Trading Card Games gibt es kein festgelegtes Spielziel. Für manche besteht es darin, sein Deck zu verbessern, die interne Ladder emporzuklettern, oder schlicht Spaß am Spiel zu haben. Das persönliche MMR erhöht sich durch gewonnene PvP-Schlachten, bei denen man innerhalb von drei Minuten (plus Verlägerung) das Hauptgebäude oder mehr Wachtürme des Gegners zerstören muss. Angegriffen wird über zwei Lanes, die an den Wachtürmen der Kontrahenten münden. Zwischen diesen befindet sich das Hauptgebäude jedes Spielers. Zum Angriff benutzt der Spieler ein Deck aus acht Karten, die er aus einem Pool von aktuell 54 unterschiedlichen Karten frei zusammenstellen kann. Je nach Spielfortschritt werden neue Karten freigeschaltet oder können verbessert werden. Für jede gewonnene Partie erhält man Ingame-Währung und neue Karten, die zum Weiterleveln der einzelnen Einheiten genutzt werden können. Neben Einzelmatches können in längeren Turnierformaten zusätzliche Ressourcen ergattert werden. Mit steigendem MMR werden neue Arenen mit immer besseren Karten freigeschaltet. Als einzige Erweiterung gegenüber "Clash Royale" gibt es unterschiedliche Generäle, die durch passive und aktive Spezialfähigkeiten indirekt die Schlacht beeinflussen können.
Gameplay
Die Innovation dabei: Im Unterschied zu anderen Trading Card Games erfolgen die Züge nicht rundenbasiert sodern in Echtzeit. So entwickeln sich äußerst dynamische Partien im Stile eines Tower Defense Games oder RTS. In jedem PvP-Spiel stehen unmittelbar vier Karten zur Verfügung, die es gilt strategisch optimal einzusetzen, um eigene Angriffe zu starten oder gegnerische Angriffe auszukontern. Hier greift ein elaboriertes Stein-Schere-Papier-Prinzip, das aus RTS-Spielen wie Starcraft 2 bekannt ist. Auf Mikromanagement der Einheiten wird komplett verzichtet. Sobald sie platziert werden, folgen sie einer individuellen künstlichen Intelligenz. Sprich: Manche Truppen sind darauf programmiert, stur gegnerische Gebäude anzugreifen, während andere Einheitentypen Gegner wahlweise in der Luft oder am Boden priorisieren. Darüber hinaus unterscheiden sich die Einheiten hinsichtlich ihrer Einsatzkosten, Trefferpunkte, Angriffsgeschwindigkeit, Reichweite, Geschwindigkeit, Spezialfähigkeiten und Schadensart, also Einzel- bzw. Flächenschaden. Siege oder Niederlagen hängen also auch davon ab, effektive Einheitenkombinationen einzusetzen. Wird eine Karte / Einheit gespielt, rückt zufallsgeneriert eine andere aus dem Achter-Deck nach. Jeder Einsatz verbraucht je nach Wertigkeit der Karte eine bestimmte Menge an Öl, das über einen sich selbstständig regenerierende Zähler ständig nachproduziert wird.
eSport to go
Jungle Clash ist ausschließlich auf kompetitives Spielen ausgelegt und schon deshalb Teil der eSport-Gemeinde. Wer besser werden will, kann sein Deck durch den Einsatz von Echtgeld zwar schnell aufwerten, um weit oben mitzumischen, es ist aber nicht zwingend notwendig. Viel wichtiger sind typische eSport-Tugenden: Dazu gehören regelmäßiges Training genauso wie das Ausprobieren eigener Taktiken. Per Replayfunktion können eigene Schwächen identifiziert und gegnerische Züge adaptiert werden. Hilfreich ist zudem das Verständnis des aktuellen Metagames. Livestreams gibt es unter twitch.tv (link is external) und youtube-gaming (link is external) genau wie für andere Titel. Abseits davon wächst die Szene seit Jahren und wird von Unternehmen wie Skillz oder Supercell, die die Jungle Clash-Vorlage Clash Royale entwickelt haben, aktiv vorangetrieben (link is external).
Bei aktuell ca. 3,8 Millionen Views liegt das VOD zum Clash-Royale-Turnier am 16. April in Helsinki.
Obwohl es viele Parallelen gibt, hat das vergleichsweise junge Subgenre mit vielen Vorurteilen (link is external) seitens der klassischen eSport-Community zu kämpfen. Vordergründig geht es dabei um den angeblichen Casual-Charakter vieler Smartphone-Games, reduzierte (Eingabe-)Möglichkeiten und mangelnde Komplexität. Ironischerweise erinnern die Argumente und Einstellung der Kritiker dabei frappierend an die Vertreter jener Gruppe, von denen sie sich so missverstanden fühlen: Die Lobby der klassischen Bewegungssportarten, die ihnen bis heute die Anerkennung verweigert (link is external). Andrew Paradise, CEO von Skillz (link is external), einer Online-Multiplayer-Plattform für mobilen eSport, hält im Gespräch mit develop-online.net (link is external) gegen beide Gruppen dagegen: "Die gegenwärtige Realität des eSports spiegelt die Welt klassischer Sportarten wider, in denen es ebenfalls große Unterschiede hinsichtlich der Komplexität gibt." "Es [Clash Royale] hat alle Elemente, die ein erfolgreiches, kompetitives Spiel benötigt", so Marcus Graham, Director of Programming bei Twitch. “Wenn du 10 Millionen Spieler hast und du ein Turnier für das Spiel veranstaltest, wird das schon dann ein Erfolg, wenn du nur ein Prozent der Spieler dafür begeistern kannst.” Unabhängig vom kommerziellen Erfolg und der Frage, ob mobilem eSport die Zukunft gehört - Spiele wie Jungle Clash zeigen, dass sich die Szene weiterentwickelt.
Eine Stunde ist seit meiner letzten Partie vergangen - Zeit, eine neue Truhe mit Verbesserung und Gold zu öffnen und eine neue Runde zu starten. Das Spiel hat mich wieder eingefangen. Eigentlich bin ich der Bastard
Casual oder Weiterentwicklung. Was haltet ihr von mobilen eSport?