Im Alten Rom waren Würfelspiele ('ludus' lat. für Spiel) nicht hoch angesehen. Sie galten als gefährlich und schädlich, weshalb sie verboten wurden. Im Mittelalter galt das Spiel als Sünde, sogar Theaterverbote wurden ausgesprochen. Doch steht es wirklich so schlimm um diesen harmlosen Zeitvertreib? Im Kindesalter spielen alle Säugetiere, Menschen sogar noch als Erwachsene. Sind wir von Geburt an dazu bestimmt oder ist das nur Zufall? Eine Suche nach den Gründen des menschlichen Spielens.
Definition
Jedes Kind weiß, was ein Spiel ist. Trotzdem besteht die Notwendigkeit das "Spielen" an sich genauer zu definieren. Dies ist wichtig, da es in einigen Gesellschaften kein eigenes Wort für Spielen gibt - zwischen spielerischen Aktivitäten und Arbeit wurde nicht unterscheiden. Die meisten Forscher sind der Ansicht, dass es sich beim Spielen um einen biologisch vererbten Impuls handelt. Weiter wird es durch die Freude der Spieler und deren Freiwilligkeit definiert. Das Spielen folgt keinem ökonomischen Zweck, es erfolgt um seiner selbst Willen. Ausnahmen bilden nur Profis wie eSportler, Handballer oder Schachspieler - Leute, die das Spiel zum Beruf gemacht haben. Ein zentraler Aspekt ist außerdem die Nachahmung: "Man tut so als ob...". Darsteller im Theater sind nur auf der Bühne Ritter oder Prinzessin und verhalten sich wieder normal, sobald die Aufführung vorbei ist. Spielen muss dabei keinesfalls immer in einem sozialen Kontext stattfinden, sondern kann auch alleine passieren. Spielen kann alles sein, ein Brett- oder PC-Spiel, Sport, ein Instrument oder ein Schauspieler im Film.
Noch Spiel oder schon Arbeit? Schachspielen erfordert spätestens ab Profi-Level schwere Denkarbeit.
Quelle: Bonjwa
Spieltrieb
Da sich der Spieltrieb beim Menschen im Laufe der Evolution eher vergrößert statt verkleinert hat, liegt die Vermutung nahe, dass Spielen hilfreich für das Überleben ist. Ansonsten wäre zu erwarten gewesen, dass durch die natürliche Selektion das Spielen irgendwann verloren gegangen wäre. Bei Kindern ist der Spieltrieb jedoch besonders groß und gerade sie profitieren am meisten vom Spielen, da sie dabei lernen. Zu beobachten ist dieses Phänomen auch bei anderen Säugetieren. Hier wird nicht nur Kämpfen und Jagen geübt, sondern auch das Verhalten in der Gruppe. Kindern versucht man deshalb Wichtiges durch Spiele zu vermitteln. Ein Beispiel dafür sind sogenannte "Edutainment Games" - eine Mischung aus "Education" und "Entertainment". Spiele für den Computer, die speziell dafür entwickelt sind, Kindern etwas beizubringen. Ab drei Jahren fangen Kinder mit Rollenspielen wie "Vater, Mutter, Kind" an, welche wichtig für ihre Entwicklung sind. Hierbei setzen sie sich mit der Welt der Erwachsenen auseinander, lernen sich in andere hineinzufühlen und üben Sozialverhalten. Des Weiteren erkennen sie die Bedeutung von Regeln, überwinden Ängste und können innere Konflikte ausleben. Diese Rollenspiele helfen außerdem, um den eigenen Platz in der Welt zu finden. Wer lieber Arzt als Kaufmann ist, mag es anderen zu helfen und könnte später seinen Beruf danach auswählen. Festzuhalten ist jedoch, dass Kinder aus keinem dieser Gründe anfangen zu spielen. Für sie steht der Spaß im Vordergrund, das Lernen ist für sie nur ein ihnen unbedeutender Nebeneffekt.
Doch warum spielen wir immer noch als Erwachsene? Nach der Kindheit haben wir doch schon alles gelernt und müssten wissen, wie die Welt funktioniert? Ein Konzept, diese Motivation zu erklären, ist die sogenannte Katharsis. In der Psychologie meint dieser Begriff das Abarbeiten innerer Konflikte durch bestimmte Aktivitäten. Wer vor Wut nach einer Niederlage gegen einen Zergling Rush auf den Tisch haut, baut auf diese Weise seinen Ärger ab. Spielen beim Menschen ist eine Form von Abbau überschüssiger Energie. Menschen sind nicht - im Gegensatz zu Tieren - gezwungen ihre ganze Energie in den Überlebenskampf zu stecken, weshalb sie einen Überschuss besitzen. Dieser wird beim Spielen abgebaut - entweder bei körperlicher Betätigung auf dem Fußballfeld oder bei einer anspruchsvollen Partie Schach. Mindestens genauso wichtig ist die Erholungsfunktion des Spiels. Die wirkt aber nur, wenn aus eigenem Antrieb gespielt wird. Wer nach einem langen Tag im Büro endlich wieder Lanes pushen und Nexus zerstören kann, fühlt sich danach besser. Wer jedoch vom Chef befohlen bekommt, morgens pünktlich um elf eine halbe Stunde Uno mit seinen Kollegen zu spielen, wird sich danach kaum erholt fühlen.
Nachspielen der echten Welt: Feuerwehr und Krankenwagen
Quelle: Bonjwa
Bedürfnisbefriedigung
Daneben gibt es noch einige weitere Gründe, warum wir - vor allem PC-Games - so gerne spielen. Um diese zu verstehen ist es jedoch nötig etwas weiter auszuholen: Der Mensch hat im Verlauf der Geschichte verschiedene Bedürfnisse entwickelt, die von Abraham Maslow in der Maslowschen Bedürfnishierarchie in einer Pyramide zusammengefasst wurden. Das Fundament besteht aus den Grundbedürfnissen wie Nahrung, Sauerstoff, Schlaf und so weiter. An der Spitze geht es um Selbstverwirklichung und individuelle Verlangen. Wenn diese Bedürfnisse gestillt werden, schüttet das Gehirn Dopamin aus - umganssprachlich Glückshormon genannt. Es soll sicherstellen, dass die Handlungen zur Bedürfnisbefriedigung vom Körper wiederholt werden. Das Problem ist, dass wir den Erfolg unserer Entscheidungen nicht kennen, wenn es um unsere höheren Verlangen geht. Ob wir den besten Beruf gewählt, den passenden Menschen geheiratet oder in die schönste Stadt gezogen sind, finden wir erst spät oder nie heraus. In Spielen jedoch ist es einfach das Ergebnis unserer Entscheidungen zu beurteilen. Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi hat die Idee des "flow" eingeführt - ein Zustand, in dem der Spieler komplett ins Spiel eingetaucht ist und alles um sich herum vergisst. Nach Csíkszentmihályi gibt es verschiedene Merkmale die ein Spiel haben muss, damit man in den "flow" kommt. Die meisten finden wir bei Starcraft 2 wieder. Das Wichtigste sind ausgeglichene Chancen. Wer gegen einen stärkeren Gegner spielt, wird schnell frustriert, da er nicht gewinnen kann und alle Entscheidungen bedeutungslos sind. Wenn der Gegner viel schwächer ist, kommt Langeweile auf. In der Ladder wird die Chancengleichheit durch die Balance der Rassen und das Matchmaking sichergestellt. Zweitens muss es ein klares Ziel geben, an dem wir unseren Fortschritt im Spiel messen können. Wer früh eine wichtige Expansion abreißt oder mit einem Oracle eine Reihe Drones erledigt, weiß wie viel Spaß das machen kann. Drittens ist es bedeutend, dass wir zu nichts gezwungen werden, was wir eigentlich gar nicht tun wollen. Starcraft hat den Vorteil, dass es keine repetitiven, langweiligen Aufgaben wie das "farmen" gibt. Spielen basiert, wie vorher schon erwähnt vor allem auf Freiwilligkeit. Viertens ist Kontrolle wichtig. Im Alltag können wir nur wenig kontrollieren, ständig werden wir von anderen Menschen beeinflusst. Spiele haben den Vorteil, dass wir dort nach unserem eigenen Willen handeln können. Zugegebenermaßen machen Marines in der Nähe von High Templarn auch nicht immer genau, was der Terraner will. In solchen Fällen ist der Spieler aber immer selber Schuld. Spiele wurden extra so entwickelt, dass wir möglichst viel Freude aus ihnen ziehen. Das wird vor allem durch schnelle Belohnung erreicht. Im Spiel haben wir alle Mittel um siegreich zu sein. Es gibt uns das Gefühl, nur Dank unseres Könnens und unserer Entscheidungen erfolgreich gewesen zu sein. Ein begehrenswertes Gefühl, was uns immer wieder an Spiele heranbringt.
Am Feierabend ein paar Gegner in der Ladder zu bezwingen, hat schon manch schlechten Tag im Büro vergessen gemacht.
Bedeutung des Spiels
Im Jahre 1938 veröffentlichte der niederländische Historiker Johan Huizinga sein Buch "homo ludens - Vom Ursprung der Kultur im Spiel" ('Homo ludens' lat. für 'spielender Mensch'). Nach seiner Meinung kann weder der Homo sapiens (Vernunftbegabtheit), Homo oeconomicus (Wirtschaftlichkeit) noch der Homo faber (Schaffenskraft) das Entstehen von Kultur erklären. Laut Huizinga geht diese aus dem Spiel hervor. Dieses fordere nicht nur Kreativität, sondern fördere sie auch. Leicht nachvollziehbar in Zeiten von Lego und Minecraft. Des Weiteren prägen Spiele nicht nur Dichtung, Musik oder Tanz sondern auch Religion und sogar Kriegsführung. Bestes Beispiel dafür sind die Olympischen Spiele im antiken Griechenland. Eigentlich eine Sportveranstaltung, die sich aber zu einem der wichtigsten religiösen Feste entwickelte. Friedrich Schiller sagte einmal der Mensch sei "nur da ganz Mensch, wo er spielt." In seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen stellte er sich gegen die allgemeine Mechanisierung. Im normalen Leben müsse sich der Mensch Regeln unterwerfen und wie eine Maschine funktionieren, im Spiel jedoch sei er frei. Kritik welche auch von Herbert Marcuse 1967 aufgegriffen wurde. Er kritisierte die eingeengten Lebensverhältnisse des Menschen in Industriegesellschaften, die keine Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung boten. Im Spiel kann sich der Mensch entfalten und sein wer er möchte, ob man in World of Warcraft als mächtiger Ork Drachen besiegt oder hinter der Theke im Spielzeug-Kaufmannsladen steht. Im Spiel sind wir frei von den Zwängen der Gesellschaft, in GTA kann man sich benehmen wie man möchte. Außerdem hat man nur im Spiel die Freiheit in einem Jäger durch den Weltraum zu fliegen und fremde Planeten zu erkunden. Spielen kann auch eine Art Flucht sein.
Auch wenn die alten Römer vom Spiel nicht besonders begeistert waren, wir wissen es heute besser. Jedes Säugetier, jeder Mensch spielt und das aus gutem Grund. Spiele sind mehr als bloßer Zeitvertreib, sie bereiten uns auf die Welt vor in der wir leben. Sie bieten uns Erholung und bieten uns Freiheit. Des Weiteren beeinflussen sie unser Verhalten und unsere Kultur. Spiele sind elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft und das werden sie vorerst auch bleiben.
Sehr interessanter Artikel, wusste nicht, dass ihr auch sowas macht ^^.
LG aus der Schweiz