"Was hat die Maus gekostet? 250€? Würde ich ja nie dafür ausgeben!", murmelt der akkurate Sicherheitsmann in den späten Fünfzigerjahren, der die Zuschauer in den LAN-Bereich lotst und sich dabei regelmäßig über die Ausmaße dieser Szene wundert. Ja, es stimmt: Im eSport treffen Generationen und damit sogar Welten aufeinander. Und in Leipzig ist es am vergangenen Wochenende nicht anders, als die Dreamhack von Stockholm in die Leipziger Messe gewandert ist. In eine Stadt also, die normalerweise Messen über Damentennis und Hochzeiten, über Kleinkinder und Motorräder veranstaltet. Und jetzt kommt die erste dedizierte eSport-Messe Deutschlands in jene Stadt, die vor 27 Jahren mit den Montagsdemonstrationen das Ende der DDR einläuten sollte.
Foto: Kristin Banse
Vom 22. bis 24. Januar findet die Dreamhack das erste Mal in Leipzig statt. In einer geräumigen Halle versucht das renommierte Turnier aus Schweden, einen Mikrokosmos an eSport unterzubringen. Starcraft II, Counter-Srike: Global Offensive, League of Legends, FIFA 16 - aus allen Ecken dröhnen die Stimmen der Kommentatoren, laute Jubelschreie, respektvolles Klatschen und die Szenerien ganz eigener eSport-Erfahrungen. Dazu kommen Streamer-Areas, LAN-Bereiche, mehrere Fressbuden, Merchandise- und Hardware-Stände und sogar eine provisorische Media Markt-Filiale - und das alles in nur einer mittelgroßen Halle. Genau dort liegt besonders beim ersten Mal einer solchen bedeutenden Messe die Krux: Durch die Komprimierung auf nur eine Halle überlappen sich eben jene Jubelrufe und Kommentatoren, die Begeisterung für die verschiedenen eSport-Titel - schlicht alle Bestandteile des Events.
Foto: Christine Steyer
Große Spielemessen wie die gamescom - samt der Hallenzahl im zweistelligen Bereich - haben die Möglichkeit, ihre Hallen inhaltlich - und ganz praktisch - zu unterteilen. Diese Möglichkeit fehlt der Dreamhack. Und deswegen wird FIFA 16 lautstark in das angespannte Poker-Turnier kommentiert. Und deswegen veranstalten die Rocket Beans ihr - zugegebenermaßen leicht verspätetes - Moin Moin mitten im Gang. Wenige Stände weiter belegte Steve von der Designschule Schwerin einen kleinen Schreibtisch, gepflastert von Flyern und Infomaterial. Die Designschule in Schwerin bietet einen Studiengang namens "Game Design" an - unter Zockern ein äußerst beliebtes Berufsziel. "Das Game Design-Studium war international beliebt, nicht aber in Deutschland. Inzwischen ist es aber im Kommen", kann Steve stolz behaupten. Und natürlich ist die erste deutsche eSport-Messe eine perfekte Gelegenheit, um sich vorzustellen. Ähnlich sieht das auch Entwickler Creative Assembly, maßgeblich verantwortlich für die Total War-Reihe. Momentan hat das britische Studio einen Warhammer-Ableger in der Pipeline - auf der Dreamhack sind sie aber aus einem anderen Grund. Dort wollen sie ihren Free to Play-Titel "Total War: Arena" vorstellen - und sich der wählerischen Szene stellen: "Wir sind da ganz realistisch: Die eSport-Szene ist nicht leicht zugänglich. Selbst große Studios wie Blizzard haben mit Overwatch keinen Freifahrtschein."
Foto: Christine Steyer
Am besucherreichen Samstag kristallisierte sich die Tendenz weiter heraus, die sich bereits am Vortag andeuten sollte: Die Aufmerksamkeit der Dreamhack liegt auf Counter-Strike: Global Offensive. Mit seiner groß inszenierten Bühne, einem Prize Pool von insgesamt 100.000 US-Dollar und einer prominenten Auswahl an Teams steht es im starken Kontrast zum beinahe spartanisch eingerichteten Starcraft 2-Bereich. Die Profis spielten dort an offenen Plätzen, die Zuschauer hatten weniger Platz - und das alles mit Blick auf die volle, laut tobende Counter-Strike-Bühne. Und genau die schallte am lautesten in die Haupthalle der Leipziger Dreamhack. Die tapferen Zuschauer von Blizzards Echtzeitstrategie ließen sich ihren Spaß aber nicht nehmen und sprengten die wenigen Zuschauerplätze. Das Ergebnis: Stehende und auf dem Boden sitzende, hoffende, bangende und begeistere Zuschauer fiebern den Matches von TLO und Showtime, HuK und Snute entgegen - und das trotz all dessen.
Foto: Christine Steyer
Als die Dreamhack im Jahr 1994 startete, spielte man offline - oder in geselliger Runde bei einer LAN-Party. Und darauf fokussiert sich die Dreamhack seit über 20 Jahren. Auch im diesjährigen ostdeutschen Ableger gibt es erneut eine separierte LAN-Halle - in dunkelrotes Licht getaucht und von zahlreichen spielwütigen Besuchern bevölkert. Mit dabei: PCs, Notebooks, eigens mitgebrachte Luftmatratzen - und Gaming-Peripherie in unahnbarer Gesamtsumme. Genau aus diesem Grund hat die Security auch zwei wachsam wandernde Augen auf diese Nebenhalle geworfen. Die Vorgabe: Niemand betritt den LAN-Bereich mit einer Tasche. Zu groß sei die Gefahr, die teuren Mäuse und Tastaturen - auch die ominöse Maus für 250€ - könnten gestohlen werden. Leider bietet die Dreamhack Leipzig keinerlei Möglichkeit für die Besucher, das wertvolle Handgepäck sicher zu deponieren - alles auf eigene Gefahr.
Am Ende des Tages waren es nicht die Veranstalter oder die Austeller, die den Charme in die Halle trugen - sondern die Fans und Zuschauer. Und genau diese Begeisterung wird die Dreamhack vermutlich auch weiter nach Leipzig bringen. Ein Match zwischen Natus Vincere und Luminosity, zwischen PtitDrogo und Bly kann noch so spannend sein - erst die Jubelrufe und erfürchtiges Klatschen entflammen die eSport-Leidenschaft wirklich. Und glücklicherweise ließen die Zuschauer in Halle 5 der Leipziger Messe ordentlich die Hände donnern. Jeder grandiose Treffer von NaVi's Teamcaptain GuardiaN, jeder platzende Baneling von AcerBly ließ die Tribüne beben und neue Wellen aus erhobenen Händen und geschockten Gesichtern aus der Menge aufsteigen. So unterschiedlich die gespielten eSport-Titel auch waren, jeder Fan hatte in solchen Momenten den gleichen Gedanken im Kopf: "Das ist eSport". Und die Dreamhack hat ihn nach Deutschland gebracht.
Klingt so, als hätte die Dreamhack Leipzig noch ein paar "Kinderkrankheiten", was aber durchaus verständlich ist, dafür, dass es das erste mal war. Dennoch, wie auch im Beitrag erwähnt sieht es danach aus, dass es recht positiv gelaufen ist und nicht das letzte Mal stattgefunden hat :)
Schöner Artikel! :)
DreamHack war definitiv ein geiles Erlebnis und steht für mich auch schon aufm Plan für 2017 ^^
War echt toll euch da zu treffen! <3
Starcraft war für mich der Hauptgrund zur Dreamhack zufahren. Deswegen war ich etwas enttäuscht als ich gesehen hab das die Leinwand nicht bei den Spielern stand und letz endlich dort auch nur der offizielle Stream lief. Das gemeinsame gucken mit anderen Fans war cool und es wert mal in echt erlebt zu haben aber der Rest drumherum hat mich einfach nicht überzeugt. Die Stände waren etwas dürftig und der LAN Bereich für mich zumindest uninteressant. So wie es jetzt war würde ich nicht nochmal hin gehen, ich hoffe jedoch das das Event in Deutschland bleibt und sich verbessert, dann komme ich gerne wieder.
Ende 2015 war die Dreamhack auch erstmals in London. Da es vergleichsweise günstig war, bin ich spontan vorbei und leider kann ich von dort ähnliches berichten. Für meinen Geschmack war es auch dort zu eng gepackt, aber die Stimmung war trotzdem gut.
Aber das schlimmste war, dass sie kein SC2, aber dafür ein COD Turnier veranstaltet haben! Selbstverständlich war mir das vorher klar, aber da dort so gut wie niemand zugesehen hat, kann ich das absolut nicht nachvollziehen. Die wenigen Minuten die ich selbst vor der Bühne verbracht hab ließen mich leider auch nicht begreifen, worin der Reiz von COD bezüglich eSport liegt. Ich selbst hatte es früher auch gerne gezockt, aber meines erachtens ist es mehr gedaddel und ist beispielsweise mit der taktischen Tiefe von CS:GO (was ich als klassischen Vertreter eines eSport-lastigen FPS begreife) nicht zu vergleichen.