Im Mai 2015 sorgte der Fußball-Bundesligaverein VFL Wolfburg in Szenekreisen für Aufsehen, als er mit Benedikt "SaLz0r" Saltzer den ersten E-Sportler verpflichtete. E-Sport wird immer professioneller und rückt immer dichter mit klassischem Sport zusammen. So engagierte Activision Blizzard mit Steve Bornstein einen früheren Geschäftsführer des us-amerikanischen Sportsenders ESPN als Vorsitzenden für eine neu gegründete Abteilung, die sich ausschließlich dem kompetitiven Gaming widmet. Dass diese Entwicklung auch in die andere Richtung funktioniert, beweisen europäische Fußballclubs wie Beşiktaş Istanbul, die neuerdings auch eSportler in ihren Reihen haben.
Zur Person
Der Gernsheimer Benedikt „SaLzOr“ Saltzer ist mit seinen 23 Jahren bereits eine etablierte Größe in der eSport-Disziplin FIFA. Er spielt seit seinem 15. Lebensjahr kompetitiv, mit 16 Jahren bestritt er seine erste ESL-Saison als Profi für MeetYourMakers. Im Jahr 2012 gewann er die ESL Pro Series im 2v2. Seit Mai 2015 repräsentiert er den VFL Wolfsburg als eSportler. Bislang stand er viermal im Finale der ESL und konnte den wichtigsten nationalen Titel 2015 endlich für sich entscheiden. Benedikt studiert Sport und Physik auf Lehramt. In der realen Fußballwelt kickt Benedikt Saltzer für den Verbandsligisten FC 07 Bensheim als Stürmer.
Quelle: VFL Wolfsburg
Dein Engagement beim VFL Wolfsburg löste in Szenenkreisen ein großes Medienecho aus. Wie kam es zu dieser einzigartigen Kooperation?
Der VfL Wolfsburg hat sich schon länger mit dem Thema eSport beschäftigt, daher gab es bereits im Vorfeld einige Gespräche zwischen meinem Management und den Verantwortlichen des VfL. Nach einigen Überlegungen kam es dann zu diesem Engagement, welches für mich natürlich eine enorme Chance darstellt. Die letzten Monate haben mir schon gezeigt, welch eine Welle solch eine Nachricht durch die eSport- aber auch durch die normalen Medien entfacht, und ich freue mich, diesen spannenden Weg weiterhin mit dem VfL gehen zu dürfen.
Bei Fans finden solche Entwicklungen oftmals großen Anklang, da sie sich durch den Einstieg etablierter Sportclubs eine steigende Professionalität und Anerkennung erhoffen. Was hat sich für dich seitdem geändert?
Enorm viel! Meine Person steht viel häufiger vor Kameras, die Medien berichten sehr oft über die Zusammenarbeit mit dem VfL, und generell werde ich immer öfter auch privat angesprochen, was mich natürlich auch ein Stück weit stolz macht.
Des Weiteren sehe ich mich auch als eine Art Pionier im FIFA-eSport. Ich bin der Meinung, dass ein unglaubliches Potenzial darin steckt. Mit meinen Mitteln, die ich jetzt habe, versuche ich den eSport weiter voranzuführen, so dass irgendwann jeder Bundesligist seine eSportler besitzt, und wir uns im Namen unseres Clubs messen können.
Wenn man als Laie „FIFA“ hört, denk man an Männerabende mit etwas Bier und der heimischen Konsole. Wie gehst du mit Kritikern auch aus der eSport-Community um, die kompetitive FIFA-Spieler eher belächelt?
Natürlich hat FIFA den "Casual"-Gedanken, wodurch das Spiel von vielen nicht wirklich ernst genommen wird, und fast jeder der Meinung ist, er sei besser als man selbst. Ich denke allerdings, dass in FIFA enorm viel Potential steckt - für den eSport in Deutschland und auch im Allgemeinen. Die Verbindung zum echten Fußball liegt einfach so nah, dass man versuchen muss diese zwei Gebiete miteinander zu verknüpfen. Sollte dies geschehen, wird FIFA auch von der Gamer-Community ernster genommen.
VFL-Geschäftsführer Klaus Allofs nannte als Grund für die Kooperation: „Die Spiele […] finden sowohl bei unseren Profis als auch bei unseren Fans großen Anklang.“ – das klingt ein wenig so, als würden hier professionelle eSportler mit Freizeitgamern gleichgesetzt.
Und das stellt doch gerade auch die Symbolik von FIFA dar. Jeder kann das Spiel erlernen, manche haben ein Talent dafür, andere müssen sich erst einmal eine lange Zeit damit auseinander setzen. Es gibt so viele Berührungspunkte. Natürlich wird es immer ein Leistungsunterschied zwischen den Freizeitgamer und den Profigamern geben, allerdings gibt es dadurch vielen Leuten die Möglichkeit, irgendwann mal virtuell für Ihren Club deutschlandweit antreten zu dürfen, gerade das ist für einige Fans ein Traum. Die Aussage von Herrn Allofs ist auf das Interesse an FIFA und mir als eSportler bezogen. Der VfL erreicht damit eine ganz andere Zielgruppe, und auch die realen Fußballer zocken gern. Das wiederum erhöht die Reichweite des Spiels.
Quelle: VFL Wolfsburg
FIFA hat sich von einem Teamsport zu einer Einzeldisziplin gewandelt. Vermisst du die alten Zeiten?
Oh ja, sehr! Ich bin schon immer leidenschaftlicher Mannschaftssportler gewesen, egal ob 5on5/3on3/2on2, Fußball beziehungsweise FIFA ist für mich ein Mannschaftssportspiel, daher würde ich mir den Teammodus auch sehr zurück wünschen. Das gegenseitige Anfeuern bei gelungen Aktionen oder Toren, die Emotionen, die bei einem Sieg oder einer unglücklichen Niederlage in letzter Sekunde entstehen, das alles sind Erinnerungen die unvergessen bleiben. Und im Team einen Titel zu feiern, ist doch deutlich besser als alleine.
FIFA 16 hat nicht nur wegen der Integration von Frauenteams für Wirbel gesorgt. Was findest du aus Sicht eines eSportlers gut und schlecht, am neuen Jahrgang?
Die aktuelle Version gefällt mir seit Jahren mit am besten. Der Faktor "Glück" wurde minimiert, man wird deutlich öfter für gute Spielsequenzen belohnt und die Variabilität durch einige Skillbewegungen ist erhöht. Auch wenn ich mir noch wünschen würde, dass Flanken ein Tick effektiver wären, bin ich aktuell sehr zufrieden mit dem Spiel.
Natürlich hat es auch einige Mängel, wie z.b. die Vorteilsentscheidungen des Schiedsrichters oder die Elfmeterentscheidungen, die allerdings schon durch Updates behoben wurden, oder noch werden. EA bezieht in dem Thema sehr gut die Community mit ein, wodurch solch offensichtliche "Fehler" schnell behoben werden können.
Legst du aufgrund des Engagements bei "den Wölfen" in deinem Training vermehrt Wert auf gesundheitliche Aspekte?
Da ich privat auch Fußball spiele und zusätzlich ein Sportstudium an der TU Darmstadt absolviere, achte ich in meinem gesamten Lebensstil auf eine gesunde Ernährung (reichliche Zunahme von Obst und Gemüse sowie ausreichende Bewegung). Ich bin der Meinung, dass ein homogenes Zusammenspiel zwischen Freizeit/sportlichen Aktivitäten und Gaming der Schlüssel zum Erfolg ist. Natürlich wird auch sehr viel Training benötigt, aber ohne den nötigen Ausgleich wird man nie seine Leistungsgrenze erreichen.
Inwiefern hilft dir dein Sportstudium dabei?
Aus der sportpsychologischen Sicht gibt es sicherlich ein paar Aspekte, die ich übernehmen oder gar anwenden kann. Stichworte wie mentales Training oder Ruhe bewahren in schwierigen Situationen, sind Faktoren, die man mit psychologischen Tricks trainieren kann. Es ist unumgänglich ein gesundes Gleichgewicht im Körper zu haben, um Höchstleistungen abrufen zu können. Gerade wir als Gamer benötigen enorm viel Konzentration, jeder kleinste Fehler wird auf hohem Niveau direkt bestrafft, so dass ein gesunder Lebensstil erforderlich ist.
Quelle: VFL Wolfsburg
Wie können eSportler vom sportwissenschaftlichen KnowHow eines Fußballbundesliga-Spitzenclubs profitieren?
Gerade im Bezug auf Spielanalysen sowie auf Vor- und Nachteile von verschiedenen Aufstellungen hilft das KnowHow eines Fußballbundesligisten enorm.
Du bist aktiver Fußballer? Hilft dir das, ein besserer eSportler zu sein?
Dass ich privat Fußball spiele, bringt mir gerade taktisch einige Vorteile für FIFA ein. Ob es grundlegende taktische Elemente wie das Verschieben der Abwehrkette oder das Umschaltspiel nach einem Ballgewinn sind, all diese Faktoren finden auch im echten Fußball bei jedem Training statt. Diese taktischen Elemente daraufhin in FIFA zu perfektionieren und zusätzlich die, durch das Spiel entstehenden Möglichkeiten, wie schnelle Dribblings und Fernschüsse, einzubringen, entscheidet oftmals über Sieg oder Niederlage.
Mit der Initiative Smart Gaming motivieren wir Gamer dazu, sich mit sozialen und gesundheitlichen Problembereichen ihres Hobbys auseinanderzusetzen. Wo siehst du da Gefahren?
Was Spaß macht, besitzt natürlich auch immer einen gewissen Suchtfaktor. Die Initiative finde ich klasse. Viele Personen sind sich ihrer Sucht und ihren Defiziten im zwischenmenschlichen Bereich meist gar nicht wirklich bewusst. Im späteren Leben kann das zu extremen Schwierigkeiten führen. Trotzdem denke ich, dass das nur eine sehr geringe Anzahl von Gamern betrifft.
Benedikt, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen dir ein erfolgreiches Jahr 2016!
Titelbild | Zeichnung: Andreas Neudecker / Original: Daniel Frerix, TaKeTV
schön das der VFl somit den esport auch unterstützt