Flash im Portrait: Apotheose bis Ragnarok

Lee ‚Flash‘ Young Ho hat mit 23 Jahren und nach neunjähriger Aktivität seine Spielerkarriere in StarCraft beendet, doch als Legende wird der Mann, den die Fans schlicht „Gott“ getauft haben, für immer weiterleben. Ein Blick auf einen der größten professionellen Gamer aller Zeiten.

Marco | TripleM 12.12.15

Heutzutage jemanden einen „Gott“ zu nennen, wenn er etwas Außergewöhnliches schafft, ist keine Seltenheit. Man könnte meinen, dass es derzeit so viele „Götter“ gibt, dass der Begriff seine Bedeutung mittlerweile eingebüßt hat. Wenn jeder ein „Gott“ ist, dann ist es in Wahrheit niemand. In Verbindung mit einem Namen jedoch fordert der göttliche Titel noch Respekt: Lee Young Ho, besser bekannt als Flash.

Das hängt einerseits damit zusammen, dass er sich diese Ehre in einer Zeit verdient hat, in der sie noch nicht so leichtfertig vergeben wurde. Andererseits gilt StarCraft: Brood War noch heute als mit die härteste Disziplin, die der eSport jemals hervorgebracht hat – oder man könnte sagen, dass es Brood War gewesen ist, welches den eSport hervorgebracht hat. Unabhängig davon hat Flash sich diesen Titel wahrlich verdient. Er wurde nicht als Gott geboren. Er wurde nicht von Beginn an verehrt und respektiert. Flash schuftete für seine Apotheose, für seinen göttlichen Aufstieg.

Der Anfang: 'Little Monster'

Sein Weg zur Vergöttlichung begann wie für viele erfolgreiche Athleten in jungen Jahren. Er absolvierte sein erstes im TV übertragenes Match mit gerade einmal 14 Jahren – und machte sich keine Freunde. Nicht nur galt Flash schnell als langweiliger Spieler, er machte den Fehler einen der beliebtesten Progamer aller Zeiten aus der Daum OSL 2008 (OnGameNet StarLeague) zu cheesen: Den Protoss-Spieler Bisu. Dessen gewaltige Anhängerschaft hatte den jungen Terraner natürlich daraufhin im Visier. Es war keine schöne Zeit für das Talent, doch in seinem OSL-Debüt Platz 4 zu erreichen – und das in beeindruckender Manier – stellte eine Kampfansage dar. Und Flash ließ seinen Taten noch weitere folgen. Er schlug Stork, der ihn in der Daum OSL noch auf Platz 4 verwiesen hatte, in einem GOM Invitational und in der Bacchus OSL 2008 in den Grand Finals. Damit wurde er zum jüngsten OSL-Gewinner überhaupt, zum sogenannten 'little monster' (Bilder rechts und links. Fotos: qsen und fomos.kr).

Der rasante Aufstieg ging allerdings nicht im selben Tempo weiter. Tatsächlich drohte Flash zu einem One Hit Wonder zu werden. Seine berechenbare, ökonomische Spielweise, die er auch in Starcraft II zeigen sollte, wurde schnell analysiert und auseinandergenommen. Auf den großen Schlag 2008 folgte ein relativ erfolgloses Jahr 2009 mit nur einem GOMTV Classic Titel und dem erneuten Gewinn des Awards für die meisten Siege in der Proleague. Diesen Erfolg erreichte Flash in Brood War insgesamt viermal : 2008, 2008-09, 2009-10 und 2011-12. Der Terraner musste gegen seine ärgsten Rivalen Jaedong und Bisu Niederlage um Niederlage einstecken, der Lauf seines Teamkollegen ForGG zum StarLeague-Titel ging auf seine Kosten und er konnte sich nicht an neu aufkommende Strategien anpassen. Solch Mangel an Flexibilität zeigte sich auch an einer von Flashs "Macken": Vor jedem Spiel nutzte er ein Lineal, um die Abstände zwischen Tastatur, Mauspad, Bildschirm und Tischkante genau zu bestimmen, um immer dieselben Spielbedingungen zu erhalten.

Flash und sein berühmtes Lineal. Foto: Helena Kristiansson (ESL)

Ironischerweise sollte ein Misserfolg des Jahres 2009 direkt zu seiner Vergöttlichung im darauf folgenden Jahr beitragen: Trotz Flashs starker Leistungen in der Pro League verpasste sein Team den Playoff-Einzug. Obwohl diese Entwicklung enttäuschend gewesen sein musste, gab sie dem Terraner doch in einer kritischen Situation seiner Karriere dringend benötigte Zeit. Er nutzte diese ruhige Phase weise, bereinigte die Fehler in seinem Spiel und überdachte seine Strategien. Flash passte sich an, konnte gar Innovationen durchführen, an die zuvor niemand sonst gedacht hatte.

Apotheose: 'God Young Ho'

'God Young Ho'. Foto: Fanart

Es war diese Vorbereitung, entstanden aus einer misslichen Lage, die Flashs größte Triumphe erst möglich machte. Es sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden und auch eines der beschäftigtesten Jahre für die Archivare der KeSPA, die sich um Statistiken und Rekorde kümmerten – denn 2010 ließ Young Ho keinen davon stehen. Hätte es damals Geschichtsbücher für den eSport gegeben, hätte man diese durchweg neu schreiben müssen.

Flash gewann 2010 zweimal die OSL, zweimal die MSL, einmal die WCG, wurde je einmal in OSL und MSL Zweiter. Er nahm Rache an seinem Erzrivalen Jaedong, indem er ihn in drei Grand Finals hintereinander schlug. Er stellte neue Rekorde für ELO- und KeSPA-Rankings auf, die beide niemals geschlagen wurden - außer von ihm selbst. Er hatte bis heute unerreichte Siegesserien und Winrates. Er wurde zur dominanten Figur von TaekBangLeeSsang - der Ära von Stork, Bisu, Jaedong und Flash.

Eine Rivalität für die Ewigkeit: Jaedong gegen Flash. Außerhalb des Schlachtfelds sind sie gute Freunde. Foto: fomos.kr

Ende des Jahres nannten ihn koreanische Fans ehrfurchtsvoll „God Young Ho“. Im Jahr 2011 kam ein weiterer MSL-Sieg hinzu, Flash erhielt die Golden Mouse und das Golden Badge für seine Erfolge und er führte sein Team KT Rolster zu zwei Proleague-Siegen hintereinander. „God Young Ho“ wurde zum fünften der Bonjwas erklärt, jener beinahe schon legendären Figuren, die Brood War in ihren Epochen dominiert hatten.

Was damals noch niemand wusste: Er sollte nicht nur der letzte Bonjwa werden, sein MSL-Sieg 2011 sollte auch sein letzter Titel in Brood War sein. Obwohl Flash weiterhin gefürchtet wurde, vor allem in der Proleague, sollte er niemals wieder die Höhen erreichen, in die er 2010 aufgestiegen war. Dazu trug eine Operation bei, der sich Flash wegen Handgelenksproblemen unterziehen musste. Noch heute ziert eine Narbe Young Hos rechten Oberarm von der Schulter bis zum Ellenbogen (Foto). Der Preis des Erfolgs und die Erinnerung daran, dass selbst ein „Gott“ verletzlich ist.

Ragnarok: StarCraft 2

Ein schicksalshaftes Bild - Flash winkt wie zum Abschied, sein Nachfolger bei KT, Life, ist im Hintergrund zu sehen. Foto: KT Rolster

Der Wechsel der KeSPA-Legenden zu StarCraft 2 sollte den Beweis dafür noch häufiger liefern. Hype und Aufregung überschatteten die Tatsache, dass Flash zur Zeit des großen Wechsels Brood War nicht mehr dominierte. Der Mann, den die Fans vor Jahren als „Gott“ betitelt hatten, sollte StarCraft 2 mit eiserner Faust beherrschen – so dachte man damals. Und tatsächlich wurde Flash zu Beginn zu einem der stärksten Spieler, beeindruckte vor allem erneut in der Proleague, indem er KT Rolster zum Finalsieg über die Erzrivalen von SK Telecom T1 führte.

Einer der großen Erfolge in SC2: Der Proleague-Sieg 2014 mit beeindruckender Flash-Performance. Foto: Screenshot (SPOTV).

Das, was seine Fans wollten, konnte er jedoch nicht schaffen: Die Zeit zurückdrehen. So viel Erwartung hatte sich aufgebaut, dass Flash nur enttäuschen konnte - egal was er machte. Er war „Gott“, von ihm wurden Siege beinahe standardmäßig erwartet, während Niederlagen umso kritischer beäugt wurden. Beizeiten wurden Flashs göttliche Kräfte tatsächlich sichtbar, führten beinahe zu individuellem Erfolg, doch jedes Mal wieder scheiterte Flash an irgendeinem Hindernis. Etwa zweimal an Life, einmal an Maru oder an der tödlichsten Ro16-Gruppe, die GSL Code S in ihrer gesamten Geschichte hervorgebracht hat.

An einem wichtigen Zeitpunkt enttäuschte Flash aber nicht: 2014 in Toronto. Es sollte der erste und letzte Triumph des Terraners werden, die Intel Extreme Masters in Kanada zu gewinnen. Es war eine beeindruckende, magische Performance. Doch der Schwung dieses Sieges ging schnell verloren. Der IEM-Titel war nicht der Befreiungsschlag, den man sich erhofft hatte. Wieder konnte Flash nur enttäuschen. Ein Kreis, aus dem er nicht mehr auszubrechen vermochte.

Göttliches Vermächtnis

Mancher Brood War-Purist ist sicherlich der Meinung, dass Flash seine einzigartige Brood War-Karriere mit dem Misserfolg in StarCraft 2 beschmutzt, sogar durch den Dreck gezogen hat.

Das könnte allerdings nicht falscher sein: Die Leidenschaft, der Arbeitsethos, der Erfolgswille, den Flash trotz seiner Niederlagen in StarCraft 2 gezeigt hat – wo er doch jederzeit in eine leicht zu erobernde Brood War-Szene hätte zurückkehren können – beschmutzt sein Vermächtnis nicht. Im Gegenteil: All diese Charakterzüge ehren es. Dieser „Gott“ hat auch dann weiter gemacht, als er am Boden war, als es einen leichten Ausweg gegeben hätte. Er blieb seinen Fans treu, seinem Team, seinen Prinzipien. Mit seiner Popularität, seiner Geschichte und seiner Leidenschaft hat Flash StarCraft 2 in Korea viel Leben eingehaucht. Er wird für immer der beste Brood War-Spieler aller Zeiten bleiben, wird für immer dem Titel „Gott“ Respekt einflößen.

Flash wurde im Gegensatz zu einigen seiner Vorgänger wie Boxer oder seiner Zeitgenossen – etwa Jaedong – nicht geliebt. Er war keine charismatische Persönlichkeit, die sofort Sympathien gewann, wenn sie auftauchte. Er verdiente sich seine Anhängerschaft durch pure, harte Arbeit und seine erstaunlichen Fähigkeiten.

Flash wurde nicht aufgrund von Liebe vergöttlicht, sondern aufgrund von Respekt vor seinen Taten. Und daher wird Lee Young Ho für alle Zeiten die Ideale des (e)Sports verkörpern.

Man wird sich als legendärer Champion an Flash erinnern. Foto: Helena Kristiansson (ESL)

Nostalgisches Zusatzmaterial

Liste von Flash's besten Brood War-Games auf Liquipedia

Flash's Proleague Theme Song

Korean Air OSL 2010 - Flash und EffOrt betreten den Flugzeughangar

IEM Toronto 2014 - Flash Tribute

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Autor: Marco | TripleM

Mein Name ist Marco, ich bin Student und mittlerweile seit fünf Jahren in der Esport-Szene als Schreiberling aktiv. Mein "Fachgebiet" ist StarCraft (2), und hier vor allem die glorreiche Szene in Südkorea. Ansonsten bin ich sehr großer Fan von anderen Strategiespielen, egal ob in Echtzeit oder Runden. eSport-technisch bin ich außerdem in Dota 2 aktiv.

Darf ich eigentlich meinen Twitter-Account hier pluggen?

13. Dezember 2015 - 9:18
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Bautsch
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27.05.2016 - 08:14
08.09.15
6

Ehre wen Ehre gebührt.

In diesem Fall sowohl dem Protagonisten als auch dem Autor.

Danke für den Abgesang Tripple M.

Schöne Arbeit.

Dazu noch die passende Musikalische Untermalung

https://www.youtube.com/watch?v=CH4w7UZV3NA

(Hoffentlich ist das Verlinken hier ok.. wenn nicht sry und bitte löschen)

14. Dezember 2015 - 8:34
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Nrgy
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16.03.2017 - 13:35
15.11.13
818

Richtig guter beitrag. Sehr interessant zu lesen und auch sehr informativ, weil ich noch nicht alles wusste. :) Danke dafür!

14. Dezember 2015 - 22:31
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Muffinman
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25.04.2018 - 22:07
15.11.13
370

Klasse Spieler, danke für diesen Einblick in seine Starcraft-Karriere.

Flash war wohl der faszinierendste Spieler den ich je getroffen habe. Auch wenn er wohl eher unbeteiligt ein Bild mit mir machen lies, fand ich es großartig. Bei jedem Spiel an dem Flash teilnimmt habe ich immer insgeheim gehofft, dass er sich wieder zu neuen Höhen aufschwingt. Und es tat umso mehr weh wenn es nicht geklappt hatte.

Flash ist und bleibt einfach einzigartig.

11. Januar 2016 - 5:55
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Herr_jeh
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18.01.2016 - 03:35
11.01.16
3

Cooler beitrag, kannte ihn nich.

Und klasse song, der das alles so n bisschen zusammenfasst =)