Gaming Explained: Bugfix fürs Gehirn

Zocken macht dumm! Jeder Gamer musste sich solche Sätze mal von besorgten Eltern anhören. Forscher und Entwickler tun sich zusammen, um das Gegenteil zu beweisen. Heute in "Gaming Explained": Warum Videospiele uns verbessern.

Tammy | Shàwen 13.10.15

„Zocken macht dumm“, „Du vereinsamst“, diese oder ähnliche Sätze haben vermutlich alle schon einmal von ihren Eltern gehört – Vorurteile, mit denen man auch heute noch zu kämpfen hat. Dabei sind viele dieser Vorurteile schon lange nicht mehr tragbar oder widerlegt. So spielen doch die meisten Gamer gemeinsam mit Freunden oder anderen Menschen, die vielleicht einmal Freunde werden könnten, denn schließlich verbinden gemeinsame Interessen. Computerspiele rücken aus verschiedenen Gründen immer weiter in den Fokus der Sozialwissenschaften, aber nicht nur das, auch die Naturwissenschaften interessieren sich immer mehr dafür.

Unsere neue Serie „Gaming Explained“ gibt euch einen Einblick in verschiedene wissenschaftliche Studien, die in Zusammenhang mit Computerspielen stehen. Natürlich hat auch diese Medaille zwei Seiten - und deshalb stellen wir positive und negative Effekte des Gamings vor. Die Themen werden verschiedene Bereiche anschneiden und wir werden sowohl physische als auch psychische Aspekte beleuchten.

Zocken und Zuhören - Jetzt geht's!

Fernsehen und gleichzeitig Zuhören. Frauen behaupten, dass sie das können - und nennen es Multitasking. Das ist Quatsch: Frauen können das generell genauso wenig wie Männer. Dennoch scheint es möglich zu sein, Multitasking durch Gaming zu verbessern. Forscher gehen im Allgemeinen davon aus, dass Multitasking mit 23 Jahren am besten funktioniert - und dann stetig abnimmt. Daher scheint es kaum verwunderlich, dass ältere Menschen oft leicht tüddelig wirken und es der geliebten Uroma manchmal schwer fällt, beim familiären Kaffetrinken dem Enkel zuzuhören, während sie ihr Tortenstück seziert.


Quelle: Nature

Aber es gibt Hoffnung! Laut der Arbeitsgruppe um den charmanten Dr. A. Gazzaley von der University of California in San Francisco ist es möglich, seine kognitiven Fähigkeiten und sein Langzeitgedächtnis im Alter zu trainieren. Gazzaley und sein Team machen sich verschiedene Techniken, wie zum Beispiel die funktionelle Magnetresonanztherapie zunutze, um die neuronale Plastizität des Gehirns zu untersuchen. Diese Plastizität, die ein Leben lang vorhanden ist, ist unheimlich wichtig für das Lernen und bildet quasi die Grundlage aller Lernprozesse. Beeinflusst und trainiert werden kann sie durch allerlei Methoden, wie Meditation, Ernährung oder Medikamente. Alle passionierten Videospieler wird freuen, dass noch ein weiterer Aspekt hinzu kommt: das Zocken!

Schneller reagieren dank Gaming

Zocken? Ja, ihr habt richtig gelesen: Das Daddeln an unserem heißgeliebten PC kann dafür sorgen, dass sich unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern und die Plastizität in unserem Gehirn zunimmt. Zusammen mit einigen Entwickeln von LucasArts (Monkey Island) hat die Arbeitsgruppe ein Computerspiel entwickelt, dass die kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen verbessern soll – NeuroRacer. Dabei handelt es sich um eine Art sehr simples Autorennspiel, bei dem der Spieler auf Signale reagieren und gleichzeitig die Kontrolle über den Wagen behalten muss. Das Ergebnis: Es reichen 12 Stunden Training im Monat, damit auch ältere Menschen mindestens genauso gute Ergebnisse wie die jüngeren Mitmenschen erzielen, die das Spiel zum ersten Mal spielten. Zudem nahm die Aufmerksamkeit der Testgruppe zu.

„Ich habe gelernt, meine Aufmerksamkeit zu fokussieren.“

- Ann Linsey -

Aber nicht nur diese Ergebnisse zeigen, dass Lernen durch Spielen wirklich helfen kann, seine kognitiven Leistungen zu verbessern. So sprechen die Teilnehmer der Studie von dem positiven Effekt auf ihr tägliches Leben - zum Beispiel die 65-jährige Ann Linsey. Bevor sie an der Studie teilnahm war sie deprimiert. Sie berichtete dem Fachmagazin Nature über ihre Angst, sie könnte ihre Fähigkeiten verlieren. Gleichzeitig schien es ihr schwerer, mehrere Dinge gleichzeitig zu verrichten. Das Spiel NeuroRacer half ihr dabei, sich besser im Alltag zu konzentrieren. Diese Aussagen der Testpersonen konnten auch durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt werden. So deuten unter Anderem die Ergebnisse des EEGs (EEG=Elektronenzephalographie, misst die elektrische Aktivität des Gehirns), ebenso wie der T.O.V.A. (Test Of Variables of Attention­) darauf hin, dass sich die Aufmerksamkeit der älteren Testpersonen in ihrem normalen Alltag deutlich verbesserte.

NeuroRacer - ein Allheilmittel?

Obwohl Dr. Gazzaley beeindruckende Ergebnisse mit NeuroRacer erzielen konnte, sollten wir es nicht als Allheilmittel sehen - wie er selbst sagt. Es ist noch ein weiter Weg, bis Videospiele als Therapie eingesetzt werden können. Aber Dr. Gazzaley hat bereits neue Projekte in Arbeit. So hat er sich mit Mickey Hart, einem Schlagzeuger der Band Grateful Dead, zusammen getan und arbeitet an NeroDrummer – einem rythmischen Spiel, das ebenfalls die kognitiven Fertigkeiten verbessern soll. Entwickelt wird es von StudioBee. Bei NeroDrummer soll auch die Occulus Rift zum Einsatz kommen, um eine virtuelle Realität zu schaffen, in der trainiert werden kann. Das Video zeigt, wie Mickey Hart virtuelle Drums spielt wobei seine Gehirnleistung aufgezeichnet wird.

Neben diesem Projekt hat der bereits ergraute Dr. Gazzaley zusammen mit PureTech, einigen Neurowissenschaftlern und Softwareentwicklern das Studio Akili gegründet. Akili hat zum Ziel, auf Grundlage der Neurowissenschaften therapeutisch nutzbare Videospiele zu entwickeln.

Und was bedeutet das für uns?

Sollten wir jetzt alle beginnen NeuroRacer zu spielen? Nicht nur! Im Grunde genommen unterscheidet es sich kaum von anderen, bereits lange vorhandenen Autorennspielen. Bisher hat sich nur noch nie jemand die Mühe gemacht, den Effekt dieser Spiele auf unser alterndes Gehirn zu untersuchen. Natürlich haben nicht nur Autorennspiele diesen positiven Effekt.

Quelle: Nature

Generell lässt sich vermutlich schlussfolgern, dass alle Spiele, in denen Multitasking gefordert wird, unser Gehirn trainieren. Wir sollten uns daher freuen. Mit jeder Minute, die wir in unsere geliebten eSport-Titel wie Starcraft 2, CS:GO, und Dota 2 investieren, können wir auch unsere Fähigkeiten verbessern. Ob sich Spiele wie NeuroRacer wirklich therapeutisch einsetzen lassen und wie die ältere Generation diese annimmt, das wird wohl die Zukunft zeigen.

Und bei allem Frohsinn darüber, dass unser Gehirn beim Daddeln etwas lernt, sollten wir eins nicht vergessen: Auch andere Aktivitäten können das Gehirn ebenso effektiv trainieren. Aber schön, dass unser geliebtes Hobby auch dazu beiträgt.

Könnt Ihr durch das Zocken eigentlich auch besser Multitasken?

Können eure Eltern oder Großeltern sich nach einigem Training mit euch messen?

Ab in die Kommentare damit!

Quelle Titelbild: Public Domain Pictures / Flacticon

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Autor: Tammy | Shàwen

Manche nennen mich Tammy, Gute-Laune-Mensch, Life for Science, Alles wird gut!, Kaninchenfreund, hat ein Herz für Horrorspiele und ganz wichtig: Oo De Lally!