Gaming Explained: Insomnia oder der Fluch des Daddelns?

Vor dem Schlafen noch schnell ein Stündchen zocken! Etwas, das vermutlich jeder von uns ab und an praktiziert - aber ist das wirklich eine gute Idee?

Tammy | Shàwen 21.02.16

Hallihallo und ein herzliches Willkommen! Es ist wieder einmal Zeit für Gaming Explained. Wie ihr ja bereits wisst, wollen wir euch mit dieser Serie Einblicke in das Feld der Forschung im Zusammenhang mit Computerspielen gewähren. So berichteten wir beim letzten Mal über Gewalt in Computerspielen, ein sozialwissenschaftliches Thema. Heute wollen wir uns wieder dem Körper widmen – wir wollen wissen, ob und wie Computerspielen unseren Schlaf beeinflussen kann.

Zocken in Gammelhose – die beste Beschäftigung nach einem anstrengenden Tag

Montagabend, der Tag war anstrengend, das Wochenende steckt einem noch in den Gliedern und auch der Liter Kaffee half nicht wirklich. Man ist müde, gestresst und beim Blick in den Spiegel oder das Schaufenster auf dem Rückweg der Shoppingtour, fragt man sich, wer Quasimodo freigelassen hat. Diese trüben Augen mit Tränensäcken so groß wie ein Luftballon – ist das der hässliche Zwilling, der einen da aus dem Spiegel grüßt? Es wird Zeit den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Ausgehen? Sollen das mal die anderen machen! Schnell Gammelhose an und zur Entspannung noch ein, zwei Ründchen zocken, ehe das Bett ruft. Ausgezeichnet, da muss auch keiner unseren Anblick ertragen und wir können, wenn wir wollen, trotzdem in Gemeinschaft mit unseren Freunden Spaß haben. Der Tag ist gerettet!

„Boah, hab ich gut geschlafen! - Oder nicht?“

Die Zeit vergeht wie im Fluge und irgendwann entschließt man sich ins Bett zu gehen. Die Augenlieder fallen schon beim Zähneputzen zu und wir sind uns sicher, dass wir sofort einschlafen – oder? Na gut, manchmal braucht es etwas länger, aber dann schläft man durch und fühlt sich am nächsten Morgen total fit – oder doch wie von einem LKW überfahren? Eigentlich ist das kaum vorstellbar. Schließlich sagt die Uhr, dass man acht Stunden geschlafen hätte und auch am Abend hat man nichts anstregendes mehr unternommen. Das Feiern fiel aus und wich einem gemütlichen Abend. Gut geschlafen hat man außerdem - das dachte man zumindest.

Quelle: cdn.phillymag.com

Zocken und Schlafen - eine Korrelation?

Diese Frage kann getrost mit 'Ja' beantwortet werden. So gibt es verschiedene wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Zusammenhang des Zockens und des Schlafverhaltens auseinander setzten. Bisher waren diese stark auf die Gruppe der heranwachsender Jugendlicher beschränkt, aber im Jahr 2015 beschäftigte sich erstmals das Team um den Medienprofessor Jan Van den Bulck in Belgien mit der Problematik bei Erwachsenen. Die Forscher untersuchten das Schlafverhalten von über 800 Erwachsenen zwischen 18 und 94 Jahren im Zusammenhang mit täglichem Videospielen, wobei sich 34,4% der Erwachsenen selbst als Gamer bezeichneten. Zum Vergleich wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeordnet – Menschen die weniger als eine Stunde täglich spielen und Menschen die mehr als eine Stunde täglich spielen. Die Ergebnisse der Studie bestätigten zum Teil das, was bereits in früheren Jahren bei Heranwachsenden gezeigt werden konnte. Die Zeit des täglichen Spielens beeinflusst unseren Schlaf negativ – je länger wir täglich zocken, je höher ist das Risiko schlecht zu schlafen.

Wer viel zockt schläft weniger!

Bereits in früheren Studien konnte gezeigt werden, dass Jugendliche nicht so schnell einschlafen, wenn sie kurz vor dem Schlafen gehen noch ein Computerspiel konsumierten. Einige vermuteten es hänge damit zusammen, dass Videospiele, wie z.B. Call of Duty, emotional aufwühlend sind. Diese Ergebnisse gerieten jedoch vor nicht allzu langer Zeit in die Debatte, als ein australisches Forscherteam zeigte, dass es keinen großen Unterschied macht, ob Jugendliche vor dem Schlafen zocken oder sich einen Film im Fernsehen ansehen. Allerdings mussten auch sie einräumen, dass nach einer 50 minütigen Spielzeit die Einschlafphase etwas nach hinten gerückt war, wenn auch kürzer, als zuvor von Forschern vermutet wurde.

Displays bringen die Erleuchtung

Eine mögliche Erklärung dafür könnte, neben der emotionalen Komponente, der hohe Blaulichtanteil der Displays sein. Durch diese wird die Ausschüttung des Hormons Melatonin reduziert. Dieses ist maßgeblich an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus’ beteiligt. Zeitgleich kommt es beim Spielen durch die Emotionen zu einer Freisetzung des Glückshormons Dopamin, sowie des Stresshormons Cortisol, wie der Neurologe und Schlafmediziner Michael Saletu in einem Interview erklärte. Auch Prof. Christian Cajochen, Leiter des Chronobiologischen Zentrums in Basel, kann dies bestätigen. So reagieren bestimmte Neuronen auf unserer Netzhaut (die sogenannten photosensitiven Ganglienzellen) besonders empfindlich auf Wellenlängen im blauen Bereich um die 480 nm. Sie sind verantwortlich für die Produktion von Melanopsin, das schlussendlich dafür sorgt, dass das Gehirn das Hormon Melatonin produziert. Ob es allerdings alleine durch das Blaulicht oder eben auch durch die emotionale Aufgewühltheit zur Verzögerung beim Einschlafen kommt, ist bisher nicht untersucht, da sich die Konzeption eines passenden Experimentes als schwierig erweist.

Quelle: http://authoritynutrition.com

Nicht nur die Quantität auch die Qualität kann leiden

Die Studie um Professor Van den Bulck konnte zeigen, dass jede Stunde Zocken am Tag die Einschlafzeit durschnittlich um 6,9 Minuten hinauszögerte. Das klingt wenig, kann aber zu einer sehr langen Zeit werden, wenn man beispielsweise eine knappe halbe Stunde wach liegt, da man sich vier Stunden vor dem Schlafen gehen noch aufwühlende SC II Matches geliefert hat um endlich eine Liga aufzusteigen. Allerdings verkürzt sich durch langes Zocken nicht nur die "Schlafzeit", sondern auch die subjektive Qualität des Schlafes wird laut Studie beeinflusst. So zeigten ca. 30% der Probanden, die täglich mehr als eine Stunde spielten, häufiger Anzeichen von Schlaflosigkeit, Müdigkeit und frühem Erwachen. Auch zeigte sich, dass in dieser Gruppe öfter Hilfsmittel wie Schlaftabletten zum Einsatz kamen.

Die Ursache dieses Phänomens wurde allerdings nicht untersucht – es ist aber wahrscheinlich, dass die Beleuchtung des Displays bzw. die damit verbundenen Mechanismen des Körpers, mit diesen Ergebnissen in Zusammenhang stehen.

Schlafstörungen? – Vielleicht lieber mal ein Paar Tage Pause von Displays!

30% der Vielspieler leiden unter Problemen wie z.B. Schlaflosigkeit – das bedeutet 70% leiden nicht darunter. Vermutlich betrifft es einen selbst also nicht - zumindest geht man zunächst davon aus. Dies kann natürlich sein und wenn dem so ist, dann hat man Glück gehabt. Sollte man sich aber am Morgen des Öfteren schlaff und abgeschlagen fühlen, trotz ausreichendem Schlaf, sollte man über die 30% nachdenken. Möglicherweise besteht bei einem selbst doch ein Zusammenhang zwischen dem Spielverhalten und der Schlafqualität - es scheint an der Zeit mal ein paar Tage die Daddelkiste aus zu lassen oder sich zumindest selbst zeitlich zu begrenzen. Da nach derzeitigem Kenntnisstand viele der Symptome vermutlich durch die blaue Beleuchtung der Displays ausgelöst werden gilt dies auch für Smartphones, Tablets und den langsam in Vergessenheit geratenen Fernseher. Vielleicht sollte man dann einmal mehr dazu übergehen seine Freunde zu einem Brettspielabend einzuladen oder sich ein gutes Buch schnappen - zumindest solange bis es Brillen gibt, die das blaue Licht zuverlässig filtern können. Denn auch daran wird bereits gearbeitet. Ein Versuch wäre es zumindest wert - dann gehört Quasimodo vielleicht auch bald der Vergangenheit an.

Wie ist es bei euch? Seht ihr einen Zusammenhang zwischen eurer Schlafqualität und eurem Zockverhalten?

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Autor: Tammy | Shàwen

Manche nennen mich Tammy, Gute-Laune-Mensch, Life for Science, Alles wird gut!, Kaninchenfreund, hat ein Herz für Horrorspiele und ganz wichtig: Oo De Lally!

21. Februar 2016 - 21:34
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SunSh4dow
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22.07.2018 - 12:28
15.11.13
96

Echt cooler Artikel! Habe mir tatsächlich wegen des großen Anteils an blauen Licht in Bildschirmen die Wand dahinter gelb tapeziert. Hatte die Hoffnung das es den Gesamt-Farblicht-Eindruck etwas grün macht und die Rezeptoren schont. Nun. Funktioniert höchstens minimal :D

22. Februar 2016 - 10:18
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Nonex
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22.02.2016 - 10:18
28.04.14
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Wieder mal ein guter Artikel hier auf Bonjwa! Bei der Aussage, dass alleine die Bildschirme den Schlaf beeinflussen bin ich etwas skeptisch. Ich bin berufsbedingt fast den ganzen Tag am PC...wenn das so ist dürfte ich ja fast gar nicht mehr schlafen wenn ich dann noch abends etwas zocke. Ich fühle mich aber alles andere als müde. Was ich aber bestätigen kann ist, dass ich dazu neige länger wach zu liegen wenn ich direkt vor dem schlafen gehen noch spiele. Das wurde mir aber ehrlich gesagt erst jetzt so richtig bewusst :)
22. Februar 2016 - 13:08
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Shàwen
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29.08.2018 - 20:30
01.07.14
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Danke euch zweien :).

@Nonex: Es werden ja nicht alle durch den Schlaf beeinflusst und ob es an den Bildschirmen alleine oder einer Kombination mit der emotionalen Aufgewühltheit liegt ist ja noch gar nicht erforscht. Es stellt nur eine Möglichkeit dar. Vielleicht beeinflusst dich das blaue Licht auch gar nicht (es gaben ja nur 30% an schleter zu schlafen), sondern vielleicht wirkt bei dir tatsächlich aber die emotionale Komponente stärker (da du z.B. länger wach liegst, wenn du vor dem Schlafen noch spielst). Der Nachweis der tatsächlichen Ursache stellt sich als sehr schwierig dar, da alle Menschen unterschiedlich sind und sich ein experimentelles Setup nur schwer aufstellen lässt. Zumindest solange es noch keine Möglichgkeit gibt das blaue Licht komplett zu filtern.

Liebe Grüße,

Shàwen

22. Februar 2016 - 18:39
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PlayAround
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18.04.2016 - 21:54
18.12.14
18

Schöner Artikel und nicht alzu Kompliziert :D

Also ich kann sagen wenn ich nicht vor dem Schlafen gehen zocke und so um 22 Uhr schlafen gehe komme ich tatsächlich viel schlechter aus dem Bett, werde vom Wecker nicht wach usw. Wenn ich aber bis 23 Uhr zocke und dann noch ein bisschen YouTube und Twitch schaue komme ich morgens viel früher aus dem Bett. Ich weiß das kling irgendwie unlogisch und ich verstehe das iwi aich nicht :D

22. Februar 2016 - 18:39
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Alpenbazi
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11.11.2016 - 00:01
06.10.15
8

Super Artikel :)

Hätte ich nicht so "blöde freunde" (brat's) die mich ständig wachhalten würde ich auch besser schlafen. Super freunde (lasst mich schlafen oder lasst Monopoly daddeln) :D

23. Februar 2016 - 13:08
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Xseewolf
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23.02.2016 - 13:12
17.02.14
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Guter Artikel, ich kenne das Problem selber, was mir extrem geholfen hat ist das Programm f.lux ( einfach mal googlen ).

Dieses "filtert" die Blauanteile des Bildschirms heraus bzw dimmt die Bildschirmhelligkeit und regelt die "Wärme" des Bildschirmlichts abhängig von der Tageszeit. Seitdem ich f.lux benutze schlafe ich persönlich auf jeden Fall besser.

25. Februar 2016 - 2:15
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DERASTAT
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25.07.2016 - 19:50
03.01.14
127

Wenn ich vor den Schlafen noch Laddere geh ich im Bett nochmal jedes spiel genau durch, wo meine Fehler waren usw.

Und dann liegt man ewig wach rum, diese erfahrung hatte ich aber nie mit Dota2, eventuell ist starcaft einfach anstrengender

26. Februar 2016 - 14:56
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brmr2k
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11.07.2016 - 17:31
26.02.16
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Seit dem ich abends auf meinem Tablet beim Twitch gucken Blue-Shade (blockiert blauses Licht) aktiviert habe, schlafe ich teilweise schon beim gucken ein. Das ist mir vorher nicht passiert. Das zeigt aber auch, dass das Thema in der Industrie angekommen ist und somit nicht ganz an den Haaren herbeigezogen sein kann.