Indie goes eSport - Teil 2

Ding Ding Ding. Round 2! Wir eröffnen den zweiten Teil unserer Reihe und stellen euch zwei weitere hochklassige eSport-Indiegames vor!

Max | Zahard 16.09.16

Wer sich noch nicht die erste Ausgabe mit den überaus sehens- und spielenswerten Spielen "Tanki X" und "Planet of Heroes" angesehen hat, sollte dies definitiv nachholen, denn wir stürzen uns sofort auf die zwei verbleibenden Titel unserer "Indie goes eSport"-Reihe.

Gigantic

Ich kann mich erinnern, als wäre es gestern. Einsam durch die Messehallen der gamescom 2015 streifend entdeckte ich einen eher unscheinbaren Stand in Halle acht. Gigantic stand in großen, leuchtend blauen Buchstaben über den als Inseln aufgebauten PCs. "Noch nie von gehört, aber immerhin ist die Schlange kurz", waren meine Gedanken und so riskierte ich einen Blick. Bunte Grafik, Third-Person-Perspektive und schnelles Gameplay waren schon damals genau richtig, aber das gewisse Etwas fehlte noch.

Dass ich ein Jahr später erneut über dieses Game stolpern würde, hatte ich ehrlich gesagt nicht geplant. Eher durch Zufall - auf der planlosen Suche nach For Honor - kam ich am Stand von Motiga vorbei. Ich erkannte Gigantic wieder und abermals lockte mich die allzu kurze Schlange an die vorbereiteten PCs. Ein lohnender Abstecher wie sich herausstellen sollte.

Denn was einen hinter dem quietschbunten Comic-Look erwartet, vereint unzählige Features verschiedenster Mobas zu einem schmackhaftem Ganzen - und geht dabei doch einen ganz eigenen Weg. Doch gute Geschichten erzählt man vom Anfang: Der Heldenauswahl. Der Pool an spielbaren Charakteren stellt sich ebenso vielfältig zusammen, wie in anderen Genrevertretern. Vom wuchtigen Tank über die heimtückische Assassine bis hin zum weitsichtigen Scharfschützen, dürfen wir einen Alter-Ego für die Partie wählen und sollten im Optimalfall auch auf die Zusammenstellung des Teams achten.

Hat man sich für einen Heroen der auch optisch abwechslungsreichen Truppe entschieden, wird man bereits an die Seite eines riesigen Wächters gestellt. Diese dienen im Spiel als Nexus und funktionieren doch deutlich eigensinniger als manch andere Hauptgebäude. Sie wehren sich nämlich schlagkräftig gegen ihre Zerstörung, aber dazu später mehr. Denn bevor an einen Angriff auf den feindlichen BigBoss zu denken ist, müssen wir das wahre Schlachtfeld erst betreten.

Ein lang gezogener Canyon war bereits 2015 Gastgeber interessierter gamescom-Besucher und sollte auch diesmal als Kampfarena dienen. Über ein Katapult wird man in Third-Person-Sichweise in die staubige Steinlandschaft geworfen und ist im ersten Moment eher ratlos. Was soll ich machen? Zwar ist während der Ladephase ein kurzer Zusammenschnitt der kartenspezifischen Aufgaben über den Bildschrim geflogen, aber als Neueinsteiger ist man anfangs nahezu verloren. Keine Minions, keine Lanes und eine sehr schöne, aber unübersichtliche Map. Ein Tutorial ist dem Spiel zum Release definitiv zu empfehlen.

Doch einige Teamkameraden scheinen Ahnung zu haben. Monster müssen geschlachtet, Gegner besiegt und Altare eingenommen werden, um die Angriffsleiste des Wächters aufzuladen. Dieser attackiert bei voller Aufladung sein gegnerisches Pendant und macht ihn für kurze Zeit verwundbar. Die perfekte Gelegenheit, um einen der drei Lebensbalken auszuradieren und die Gruppe dem Sieg ein Stück näher zu bringen.

Also machen wir uns auf den Weg, den ersten Punkt einzunehmen. Da dieser noch relativ nah an unserem Spawn ist, verläuft alles reibungslos. In einer kleinen Leiste unter der Lebenskraft des Wächters erkennen wir, dass der Angriff ein Stück näher gerückt ist. Sofort geht es weiter Richtung Kartenmitte. Auch der Gegner hat seinen ersten Punkt auf den symmetrisch angelegten Maps eingenommen und wirft nun ein Auge auf unser Ziel. Es beginnt ein erster Teamfight, der auch in Gigantic essentiell für den Sieg über den Gegner ist.

In einem wahren Effektfeuerwerk treffen die verfeindeten Gruppen aufeinander und lassen sämtliche Fähigkeiten vom Stapel. Genau wie in anderen Mobas gibt es neben normalen Fähigkeiten auch Ultimates, die über die Zeit freigeschaltet werden und in Teamfights die entscheidene Wendung bringen können. Hier trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Während Anfänger eher planlos draufhauen, können geübte Spieler durch die griffige Steuerung auch auf Konsole ihrer Rolle perfekt gerecht werden und zerstören die wichtigsten Figuren des Gegners. Durch die Sicht bleiben die Kämpfe trotz der hübschen Effekte übersichtlich, auch wenn nicht immer erkennbar ist, ob es sich um die Fähigkeit eines Verbündeten oder eines Feindes handelt.

Hat man die erste Schlacht überstanden, stehen dank eines genretypischen Erfahrungssystems die ersten Punkte zur Verfügung, um unseren Helden zu stärken. Dabei wird zwischen Fähigkeiten und allgemeinen Buffs unterschieden. Während die normalen Abilities jeder Figur bis zu 2 von 4 möglichen Upgrades erlauben, gibt es bei den übergeordneten deutlich mehr Auswahl. Allerdings verbessern diese eher die allgemeinen Stats eines Helden wie Angriffskraft oder Leben und lassen andere Aspekte des Helden unangetastet.

Diese Stärkung braucht man allerdings auch, denn ist die Powerleiste des eigenen Bosses voll aufgeladen, geht dieser in fulminanter Art und Weise auf den gegnerischen Wächter los - ein großes Lob an die Entwickler für diese Inszenierung. Sobald sich der Feind in der Umschlingung seines Kontrahenten wiederfindet, ist er verwundbar und kann offen angegriffen werden. Während das eigene Team auf den Gegner zustürmt und irgendwie probiert, so viel Schaden wie möglich zu machen, versuchen die fünf Verbündeten des Attackierten natürlich ihren Herren zu beschützen. Ein wahrhaft cleveres Konzept! Angriff und Priorität müssen gut überlegt werden und können bei schlechter Absprache schnell zu einem Comeback des Gegnerteams führen.

Doch man sollte sich nicht zu lange so tief im Feindesland aufhalten. Denn hat sich der feindliche Wächter erst einmal befreit, ist dieser mehr als ungehalten über die Eindringlinge. Alle Gegner in seinem Radius werden gnadenlos angegriffen und sterben meist nach nur wenigen Treffern. Abstand halten ist daher außerhalb der Verwundungsmöglichkeiten dringend zu empfehlen!

Doch ebenso schnell und spontan wie die Runde begann, endet sie auch wieder. Ein Nachteil auf der gamescom! Gern hätten wir noch länger gespielt und mehr von Gigantic gesehen. Gameplay und Inszenierung spielen in einer Liga mit den ganz großen Genreherrschern und sollten sich gerade als f2p-Titel zu starken Anspielargumenten entwickeln. Sollte an der Nutzerfreundlichkeit noch etwas geschraubt werden, steht dem erfolgreichen Release dieses Jahr nichts mehr im Weg.

Ortus

Es sind Erlebnisse wie diese, die einfach magisch sind. Während ich eigentlich auf den Termin bei einem anderen Indie-Entwickler warte, fällt mir ein unscheinbares Spiel ins Auge. „Ortus“ prangt über einem einzelnen aufgebauten PC samt Bildschirm. Zeit bis zum Termin: 20 Minuten – einmal kurz anspielen wird drin sein, denke ich.

Rückblickend war dies die wohl beste Entscheidung, die ich zwischen all den Anspielmöglichkeiten auf der gamescom getroffen habe. Selten hat mich ein Spiel vom ersten Kontakt an so sehr angefixt, wie es Ortus geschafft hat.

Dabei ist das Spielprinzip so genial wie simpel. Auf einem aus Sechsecken aufgebauten Spielbrett bekriegen sich zwei Spieler mithilfe von unterschiedlichen Figuren, die eigene Fähig- und Möglichkeiten besitzen. Dass der leichte Einstieg nicht auf Kosten der taktischen Tiefe geht, begeistert umso mehr.

Gewonnen hat, wer entweder acht gegnerische Spielfiguren schlägt oder zu Beginn seines Zuges die Mehrzahl der Energie spendenden Felder hält. Diese bringen neben dem Grundeinkommen zusätzliche Punkte ein, die man während der Züge für bestimmte Aktionen wie Bewegen, Angreifen und Verteidigen nutzen kann.

Doch genug schnöde Theorie – der Gamer in mir schreit nach Praxis! Das Spiel beginnt und zu Beginn verfügen sowohl ich als auch der KI-Gegner über 6 Figuren, die in unserem Spawnareal auf Befehle warten. Ich beginne den Zug und nehme sofort die zwei nächstgelegenen Kernfelder ein. Dabei muss ich anfangs wenig auf meine verbleibende Energie achten, denn Figuren, die ihre erste Bewegung machen, können nicht sofort angreifen.

Der Gegner zieht nach und schnell stehen die ersten taktisch tiefgreifenden Entscheidungen an. Aggressiv auf die Felder rushen oder sicher verteidigen was man hat? Wie halte ich meine Armee am besten zusammen und besetze trotzdem die meisten Gebiete? Keine einfachen Fragen, aber zum Anfang lasse ich es ruhig darauf ankommen. Gierig besetze ich alle möglichen Felder und achte nicht mehr auf meine Energie – ein deutlicher Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Denn nun ist der Feind an der Reihe und kann mich mit seiner gesamten Kraft angreifen. Drei feindliche Nahkämpfer umzingeln meinen äußersten Vorposten und greifen nacheinander an. Fünf Punkte kostet diese Attacke für meinen Feind und wenn ich verhindern will, dass meine Krieger das Zeitliche segnet, muss ich ebenso viel zum Blocken ausgeben. Mit nur elf Punkten auf dem Konto überlebe ich zwar die ersten beiden Anschläge, habe aber dem letzten nichts mehr entgegenzusetzen. Der Punkt ist verloren und die Mission im Singleplayer gescheitert.

Genaue Planung und auch Abschätzung der Möglichkeiten des Gegners sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer nicht genau überlegt, wie weit der Kontrahent mit seinen Punkten kommt, hat keine Chance auf den Sieg. Zwar ist ein verlorener Punkt in einer Multiplayer-Partie nicht das Spielende und auch Comebacks sind gut möglich, aber ein Nachteil ist ein früher Verlust allemal.

Solche Niederlagen machen vorsichtig. Lieber ein Punkt zu viel, als ein Punkt zu wenig. Rein defensive Spieler haben jedoch das Nachsehen. Nach dem Ende des gegnerischen Zuges verfallen meine restlichen Punkte und es wird neu zusammengezählt, anhand der Punkte die ich besetze. So entwickeln sich stets spannende Partien, die praktisch kaum in Standoffs enden können.

Einen weiteren Spin bringen die unterschiedlichen Einheiten ins Spiel. Sie machen neben der Taktik auch die Positionierung der gesamten Truppe extrem wichtig und sorgen für eine größere Abwechslung. Wie viele verschiedene Typen schlussendlich zur Verfügung stehen, ist zwar noch nicht bekannt, aber definitiv ein Feature, dass dem Spiel einen ganz eigenen Stempel aufdrückt.

Trotzdem drängen sich mir immer wieder Parallelen zu meinem Lieblingsbrettspiel „Go“ auf. Die taktische Tiefe, strategische Möglichkeiten und das doch so simple Spielprinzip kenne und liebe ich bereits seit langem. Vielleicht ist Ortus gerade deshalb auf Platz zwei meiner gamescom-Liste gelandet. Das „easy to learn but hard to master“-Prinzip hat mich angefixt und ich kann es kaum erwarten, ab dem 28. September endlich mit dem fertigen Spiel auf PC, Handy oder Tablet loszulegen. Dem kleinen aber feinen Entwicklerteam bin ich aber jetzt schon dankbar für dieses tolle Spiel (link is external). Sollte keine Katastrophe mehr passieren, wird dieses Spiel ein neuer Geheimtipp für alle Strategiespiel-Fans!

Welche Indiegames würdet ihr interessierten eSportlern empfehlen?

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Autor: Max | Zahard

Als Student aus Leidenschaft schimpft man mich Redakteur in den Diensten Bonjwas. Meine eSport-Karriere begann mit der Spielzeug-Raserei Trackmania Nations vor ungefähr 7 Jahren und fokussiert sich momentan zu 100% auf Overwatch. Ein Game für die Götter :3

Außerdem zock ich leidenschaftlich Victoria 2 und Europa Universalis 4.